In den Räumen der IHK Frankfurt fand am 4.10.2016 der 3. eHealth-Kongress der gesundheitswirtschaft rein-main e.v. statt.

Der 3. eHealth-Kongress der gesundheitswirtschaft rhein-main e.v. am 4.10.2016 in der IHK Frankfurt

3. eHealth-Kongress in Frankfurt 2016

Mehr Bedenkenträgerei statt »Big Data«

Wer nach dem Inkrafttreten des »Gesetzes für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen (E-Health-Gesetz)« am 29.12.2015 auf spektakuläre telemedizinische Fortschritte für Patienten in Diagnose und Therapie gehofft hatte, konnte vom diesjährigen 3. eHealth-Kongress der gesundheitswirtschaft rhein-main e.V. am 4.10.2016 in der IHK Frankfurt nur bitter enttäuscht werden. Statt über den telemedizinischen Fortschritt zu berichten, bestimmten nach wie vor Bedenken des Datenschutzes und kleinliches Vergütungsgeschacher die Plenumsveranstaltungen des Vormittages. In den Spezialveranstaltungen des Nachmittages zu innovativem Diabetesmanagement, vernetztem Praxisalltag, … wurde es dann aber richtig spannend.

Podiumsdiskussion zur digitalen Transformation im Gesundheitswesen

Auch die Appelle von Gesundheitswirtschaft-Vorstandsmitglied Detlef Hans Franke in der souverän von ihm moderierten Podiumsdiskussion und von MdB Dr. Katja Leikert nützten nichts, den Blick auf die großen Potenziale der Telemedizin zu richten. Es wurden vorwiegend so „gewichtige Fragen“ diskutiert, ob der im Gesetz für 2017 vorgesehene Anreiz von 0,55€ pro elektronisch versendetem Ärztebrief ausreicht? Mit dieser temporären Vergütung  soll eine schnelle Investition von  Kliniken / Arztpraxen in die neue, von der Gematik entwickelte Kommunikationstechnologie gefördert werden. Sie wird vom BSI zertifiziert und realisiert einen nachvollziehbaren und  sicheren Datenaustausch zwischen Kliniken, niedergelassenen Ärzten/Zahnärzten und Apotheken. Sender und Empfänger müssen sich bei Nutzung der sicheren Telekommunikations-Infrastruktur mit ihrem jeweiligen elektronischen Heilberufsausweis mit Signatur identifizieren. Der Rollout dieser Infrastruktur in den Kliniken, Praxen und Apotheken soll in diesen Tagen beginnen. Ist die aktuelle Vergütungsaufteilung von 0,28€ für den Versender eines elektronischen Ärztebriefes und 0,27€ für den Empfänger nun gerechtfertigt? Oder sollten nicht Sender wie Empfänger beide 0,55€ erhalten? Oder soll man nicht – quasi aus Protest für die aus Sicht mancher Ärzte zu geringe Vergütung für ihre notwendigen Investitionen in die sichere Kommunikation – auch weiterhin die Ärztebriefe per Post oder – völlig ungesichert – per analogem FAX versandt werden? Katja Leikert mutmaßte, dass letztlich nur die im Gesetz angedrohte Zwangsmaßnahme, ab 1. Juli 2018 die Vergütung der Ärzte / Zahnärzte pauschal um 1% zu kürzen, wenn vor einer Behandlung keine Onlineprüfung der Versicherten Stammdaten über die sichere Telekommunikation-Infrastruktur vorgenommen wird, zu einer flächendeckenden Einführung der Telekommunikations-Infrastruktur für die Heilberufe führen werde.

Dr.-Ing. Rainer Lutze und Detlef Hans Franke, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der gesundheitseirtschaft rein-main e.v. vor unserem Ausstellungsstand auf dem 3. eHealth Kongress 2016 in Frankfurt, 4.10.2016
Dr.-Ing. Rainer Lutze stellt Detlef Hans Franke, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der gesundheitswirtschaft rhein-main.e.v, unseren Ausstellungsstand beim eHealth Kongress vor.

Ebenso konnte die vielfach geäußerte Überzeugung, dass der Datenschutz das Qualitätsmerkmal des deutschen eHealth Ansatzes sein werde (und sicherlich begeistert weltweit – wie seinerzeit das BGB – kopiert werden würde), nur Beklemmung auslösen. Die Vorahnung, dass gerade diese (Über)Betonung des Datenschutzes auch weiterhin im eHealth Bereich als massive Innovationsbremse gerade in Deutschland ge- oder besser missbraucht werden könnte, stellte sich wohl nur den Wenigsten. Von daher war auch keinerlei Gefühl der Eilbedürftigkeit erkennbar, wann endlich in Deutschland flächendeckend standardisierte elektronische Patientenakten eingeführt werden, und wann es endlich aus einer anonymisierten Auswertung dieser Patientenakten flächendeckende innovative medizinische Erkenntnisse aus den Kliniken und Arztpraxen geben wird, big data analysis. Dass dabei ein Grundprinzip des deutschen Datenschutzes, die Datensparsamkeit, sich im big data Zeitalter unter dieser Perspektive des wünschenswerten medizinischen und epidemiologischen Erkenntnisfortschrittes als immer fragwürdiger herausstellt und viele Chancen verhindert, war auch kein Thema des Kongresses in Frankfurt.

Spannende Gespräche mit Fachbesuchern unseres Ausstellungsstandes beim 3. eHealth-Kongress der gesundheitswirtschaft rein-main e.v. in Frankfurt.
Gespräche über unsere Smartwatch App am Ausstellungsstand beim 3. eHealth-Kongress Frankfurt, 2016

Ein Hingucker: der Telepräsenzroboter iRobot™

Da nimmt es auch kein Wunder, das es primär amerikanische Produkte waren, wie der iRobot™ für telemedizinische Konsultationen im Bereich der Intensivstation, die auf den europäischen Markt drängen. Die Fernsteuerung des Roboters durch Chefarzt Jeffrey Sadowsky, MD, aus Florida während der Präsentation funktionierte jedenfalls reibungslos, selbst wenn die Stimmwiedergabe – nach Einschätzung der Kongressteilnehmer – noch etwas nach „R2D2“ klang. Immerhin zeigen sich selbst die Amerikaner mit dem iRobot einsichtsvoll: der mannsgroße Roboter rollt stets erst nach dem Arzt in die Intensivstation, um die Patienten dort nicht möglicherweise zu verschrecken.

Detlef H. Franke und Gabenaa Wirke lauschen dem iRobot
Noch etwas skeptisch – kann man (den Empfehlungen) des fahrbaren Roboters trauen?

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Ein Bild unseres Blog Autors Rainer Lutze

Rainer Lutze

Rainer Lutze ist Gründer und Inhaber der Unternehmensberatung Dr.-Ing. Rainer Lutze Consulting. Das Unternehmen berät seit seiner Gründung im Jahr 2000 Unternehmen und Organisationen im Bereich der digitalen Medien und der digitalen Gesundheit und Pflege (eHealth). Aktuelle Schwerpunkte sind Smartwatches und ein intelligente Zuhause, das ein gesundes, sicheres und selbstbestimmtes Leben im vertrauten Zuhause bis ins hohe Alter und auch in Gegenwart alterstypischer Beschwerden und Einschränkungen ermöglicht.

2 Gedanken zu „3. eHealth-Kongress in Frankfurt 2016“

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