Vom 9.-14. Juli 2017 fand in Vancouver, B.C., Kanada die 19. Internationale Human Computer Interaction (HCI International) Konferenz statt. Über 1.500 Teilnehmer aus 59 Staaten diskutierten und informierten sich in 14 Teilkonferenzen über die neusten wissenschaftlich-technischen Erkenntnisse im Bereich der optimalen Konzeption, Gestaltung und Realisierung von Benutzerschnittstellen zu Computern. In unserem Vortrag „Model Based Dialogue Control for Smartwatches“ [2], haben wir die Grundlagen der Dialoggestaltung und -realisierung für unsere Smartwatch Assistenz App dort vorgestellt.
Ein neues Paradigma für die Forschung
In seiner vielbeachteten Eröffnungsrede zur Konferenz präsentierte Human Computer Interaction (HCI) Pionier und Legende Prof. Dr. Ben Shneidermann, Univ of Maryland, USA, sein Lebens-Resümee für die Forschung und Innovationen im 21. Jahrhundert [1]. Sein Credo ist die enge Verzahnung von Grundlagenforschung mit angewandter Forschung („ABC = Applied and Basic Research Combined“) bzw. die Kombination von Forschung mit dem Engineering realer Systeme und HCI Designaspekte. “The evidence grows that synergy, rather than a battle for primacy, is more often the winning strategy.” Wichtig ist Kollaboration eher größer als kleinerer, vorzugsweise multidisziplinärer Projektteams. Durch eine frühzeitige Publikation der wissenschaftlichen Ergebnisse (in statu nascendi) soll eine schnelle Rückkopplung in der Bewertung und Eignungsprüfung der gefundenen Lösungen für die Praxis erreicht werden.
Human Computer Interaction mit der Smartwatch
Im Dialog mit der Smartwatch (App) am Handgelenk sind eine Vielzahl von Benutzbarkeitsaspekten zu beachten, um eine hohe Nutzerakzeptanz zu erreichen. Ist ein Dialog aktuell überhaupt sinnvoll, oder bewegt sich der Smartwatch Träger etwa am Steuer eines Kfz mit hoher Geschwindigkeit? Dann sollte er jetzt besser nicht gestört werden. Wann – und wie lange – blickt der Smartwatch Träger überhaupt auf seine Uhr? Nur dann kann er eine dort angezeigte Nachricht zur Kenntnis nehmen. Oder trägt der Smartwatch Nutzer seine Uhr überhaupt noch? Wenn er sie zwischenzeitlich abgelegt haben sollte, macht die Fortsetzung eines Dialoges mit der App wenig Sinn.
Alle diese Fragen prüft und berücksichtigt das für unsere Assistenz App entwickelte Dialog Framework bzw. Verhaltensmuster („critical dialogue section“) automatisch und kosteneffizient [2]. Die Themen müssen nicht neu für jeden Dialog der App mit dem Benutzer aufwendig von Hand programmiert werden. Die Nutzung des Verhaltensmusters gewährleistet zudem eine vollständige Implementierung von Dialogen. Auch erwartete, aber ausbleibende Antworten des Smartwatch Nutzers werden entsprechend berücksichtigt.
Unser Vortrag in Vancouver erfolgte in der Session „Models, patterns and tools for designing situation- and context-Aware interactive system“, die von Prof. Dr. Christian Märtin, Hochschule Augsburg, moderiert wurde.
In vielen Bereichen der Software Entwicklung hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Mensch Computer Dialoge viel zu anspruchsvoll und aufwendig sind, um sie noch mit wirtschaftlichem Aufwand manuell und für den Einzelfall programmieren zu können. Nur die Berücksichtigung formaler Verfahren und Frameworks garantiert eine umfassende Berücksichtigung der anerkannten Prinzipien des Software Engineering, der Softwareergonomie und der Kognitionswissenschaften. Dies gilt für Dialoge mit Smartwatches um so mehr. Die Sensoren der Smartwatch ermöglichen weitreichende und dialogrelevante Erkenntnisse über den aktuellen Zustand des Uhrenträgers. Diese Erkenntnisse nutzt unser entwickeltes Framework. Es erlaubt es, qualitativ hochwertige Mensch Computer Dialoge für Smartwatch Apps deutlich kosteneffizienter und schneller als bisher zu realisieren.
Referenzen
[1]Ben Shneiderman: The New ABCs of Research – Achieving Breakthrough Collaborations, Oxford University Press 2016, DOI: 10.1093/acprof:oso/9780198758839.001.0001
[2]Rainer Lutze, Klemens Waldhör: Model Based Dialogue Control for Smartwatches, in: Masaaki Kurosu (Hrsg.) ”Human–Computer Interaction Contexts”, Lectures Notes in Computer Science (LNCS), Vol. 10272, Springer Verlag 2017, DOI: 10.1007/978-3-319-58077-7_18