Technologien // Anwendungen // Perspektiven
Der diesjährige VDE Kongress 2016 – Internet der Dinge in Mannheim war weniger durch das »Internet der Dinge« denn die „großen und forschungsrelevanten Trends aus Wirtschaft und Wissenschaft“ geprägt. So jedenfalls lautete die zutreffende Eigenwerbung des VDE für die Veranstaltung. Im Fokus der Veranstaltung standen die Auswirkungen der Digitalisierung auf Wirtschaft und Arbeitsleben. Der baden-württembergische MP Winfried Kretschmann erklärte das Thema in seinem Eröffnungsreferat wegen der weitreichenden und kaum abschätzbaren gesellschaftlichen Auswirkungen deshalb kurzerhand zur Chefsache.
Die über das Internet vernetzten Sensoren, das Interface zu den „Dingen“, gerieten dabei fast zu einer Nebensache. In unserem Referat stand die Frage im Mittelpunkt, wie Alarmmeldungen solcher Sensoren nachvollziehbar begründet werden können. Dies ist für die menschlichen Entscheider, die mit solchen Alarmmeldungen umgehen müssen, von hoher Relevanz. Insbesondere bei Entscheidungen über kostenintensive Notfalleinsätze.
Die »Dinge« und Ihre Bedeutung für die „Industrie 4.0“
Prof Dr. Wolfgang Wahlster, CEO des DFKI, stellte erwartungsgemäß den Beitrag seines Fachgebietes Künstliche Intelligenz (KI) in den Mittelpunkt. Er charakterisierte in seinem Plenumsreferat die aktuelle zweite Welle der Digitalisierung. In der ersten Digitalisierungswelle in den Achtzigern / Neunzigern des 20. Jahrhunderts eroberte der PC zunehmend die Büroarbeit. Der programmgesteuerte Microcontroller bildete das Herzstück jeder industriellen Steuerung und Maschine. Mit wachsenden Anforderungen wurden Konfiguration und Programmierung solcher Systeme aber immer komplizierter. Dieses Schicksal droht auch bei Berücksichtigung einer Vielzahl von vernetzten Sensoren im IoT. KI Technologien, insbesondere selbstlernende Systeme, bieten hier die Möglichkeit, den Erstellungsaufwand für Software deutlich zu reduzieren.
Den Weg vom Internet der Dinge zu einem Web der Systeme stellte Siemens Technikvorstand Prof. Dr. Siegfried Russwurm in den Mittelpunkt seines Referates. Russwurm, einer der Väter von „Industrie 4.0“, betonte dabei die Chancen, relevante Eigenschaften der Dinge maschinell zu erlernen.
Etwa von Frachtcontainern, die mit Temperatur-, Erschütterungssensoren und GPS instrumentiert sind. Sie können alle Streckenbedingungen während des Transportes georeferenziert aufzeichnen. Die Transportdaten werden durch M2M (machine-to-machine) Kommunikation per Internet weiter gemeldet. Damit sind nicht nur der aktuelle Standort und die klimatischen Bedingungen der transportierten Güter jederzeit in Realzeit nachvollziehbar. Durch Überlagerung der Daten vieler Transporte jeweils für die gleiche Bahnstrecke lassen sich so Defektstellen an den Gleisen frühzeitig entdecken. Es kann dann eine vorbeugende Wartung / Reparatur der Gleisstrecke rechtzeitig veranlasst werden. Predictive analysis at its best.
Neuronale Netze lernen und verdichten Sensorsignale
Neuronale Netze (NN) erfreuen sich für selbstlernende bzw. adaptive Systeme, die sensorische Daten von den »Dingen« kombinieren und verdichten, großer Beliebtheit. Wir verwenden sie in unserer Smartwatch basierten Senioren Assistenz App für die Erkennung von Ereignissen und Aktivitäten des täglichen Lebens (EDLs, ADLs). Wegen der begrenzten Rechenleistung heutiger Smartwatches kommt ein neuronales Netz mit nur einem verborgenen Layer zum Einsatz. Aus 39 relevanten statistischen Parametern der Sensorsignale einer Smartwatch (Eingabeschicht des NN) werden die EDLs, ADLs (als Ausgabeschicht des NN) abgeleitet. Das NN benötigt typischerweise viele hundert von – positiven wie negativen – Trainingsbeispielen, um EDLs, ADLs mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu erkennen. Die erkannten EDLs, ADLs werden dann in einer Wohlergehensfunktion verwendet. Das Unterschreiten definierter Schwellwerte für das Wohlergehen des Smartwatch Trägers alarmiert die Hausnotrufzentrale oder Familienangehörige / Kinder. Auch diese Wohlergehensfunktion muss vermittels Zeitreihenanalyse an die sich ändernden Gewohnheiten der Nutzer adaptiert werden.
Wie werden Alarmmeldungen von »Dingen« glaubwürdig?
Der Schwachpunkt dieser neuronalen Netze – als „subsymbolische“ Schlußfolgerungsverfahren – ist die mangelnde Nachvollziehbarkeit, warum ein spezifisches Neuron der Ausgabeschicht gerade situativ „feuert“. Für eine glaubwürdige Begründung einer Alarmmeldung müssen deshalb weitere Informationsquellen herangezogen werden. Dazu gehört die Historie der Alarmentstehung. Aber auch eine Differentialdiagnose, welche alternativ möglichen Alarmursachen betrachtet wurden und ausscheiden. Und die Empfehlung für den menschlichen Entscheider, was als Reaktion auf die Alarmmeldung der »Dinge« jetzt geeignet zu tun ist. Diese Themen bildeten den Inhalt unseres Referates „Handling von Alarmen von Wearables im Internet der Dinge (IOT)“ im Sessionblock 3, Gesundheit, am 8.11.2016.