Workshop Digitaler Journalismus in postfaktischen Zeiten - wie schützt man sich vor Fake-News?

© Dr.-Ing. Rainer Lutze Consulting, studiostoks – Fotolia.com

Workshop Digitaler Journalismus in postfaktischen Zeiten – GI Jahrestagung 2017

Der Workshop Digitaler Journalismus  in postfaktischen Zeiten fand am Freitag, den 29.9.2017, an der Technischen Universität Chemnitz statt.  Die von uns organisierte Veranstaltung war Teil der 47. Jahrestagung der Gesellschaft für Informatik e.V. (GI). Knapp zwanzig Experten diskutierten, von Dr. Rainer Lutze moderiert, mit welchen Mitteln und Verfahren eine möglichst authentische journalistische Berichterstattung am besten realisiert werden kann. Digitaler Journalismus ist – unter anderem – durch die Möglichkeiten einer aktuellen Berichterstattung in Echtzeit gekennzeichnet. Rezipienten der Medienprodukte erwarten heute einen Einbezug „auf Augenhöhe“.  Diese Wirkprinzipien machen die gesellschaftliche Kommunikation gleichzeitig anfällig für eine vorsätzliche Verfälschung und Manipulation publizierter Inhalte. Die Verbreitung von „Fake News“ wird in der öffentlichen Diskussion zunehmend als Problem erkannt und thematisiert [1].

Der Workshop Digitaler Journalismus

Prof. Markus Kaiser, TH Nürnberg, bei seinem Referat anläßlich des Workshops "Digitaler Journalismus in postfaktischen Zeiten", 47.GI Jahrestagung INFORMATIK 2017, 29.9.2017, Chemnitz
Referat Prof. Markus Kaiser, TH Nürnberg

In seiner Keynote »Virtual Reality, Live-Streaming & Co.: Wie digitaler Journalismus zu mehr Authentizität beiträgt« stellte Prof. Markus Kaiser von der technischen Hochschule Nürnberg im Workshop das hohe Potenzial systematisch multimedialer Inhaltsformate und von augmented reality Verfahren vor. Ziel und Anspruch ist dabei, dass der Rezipient die Authentizität des Berichteten besser und leichter als bei einem klassischen linearen Text verifizieren kann.

 

Dr.-Ing. Rainer Lutze, Gründer und Inhaber Dr.-Ing. Rainer Lutze Consulting (LuSTCon), Langenzenn, bei seinem Referat anläßlich des Workshops "Digitaler Journalismus in postfaktischen Zeiten", 47. GI Jahrestagung INFORMATIK 2017, 29.9.2017, Chemnitz
Referat Dr. Rainer Lutze, LuSTCon, Langenzenn

Der Beitrag »Authentische Berichterstattung in einem journalistischen Mitmach-Medium« von Rainer Lutze und Michael Strzodka stellte das Potenzial eines Nachrichtennetzwerkes unter Verwendung der Möglichkeiten aktueller mobiler Endgeräte vor. Über die GPS basierten Lokalisierungsmöglichkeiten der Endgeräte kann die Qualifikation der Berichtenden als Augenzeugen eines Ereignisses automatisiert verifiziert werden. Unterschiedliche Berichte zu dem selben Ereignis können anhand der Metadaten als solche erkannt und algorithmisch zu einer gemeinsamen Nachricht verdichtet werden. Reichweite und Stellenwert der publizierten Nachrichten können durch Nutzungsintensität und Feedback der Rezipienten entsprechend gesteuert werden. Diese Bewertung der Nachrichten bestimmt auch die zukünftige Glaubwürdigkeit der Berichtenden für ihr „Reporterprofil“.


In dem Beitrag von Hendrik Bortels und Nico Adam »Klasse statt Masse statt Klasse«  wurde aus einer Analyse der heutigen Ist-Situation der Tageszeitungen in Print und Online ein Konzept vorgestellt, wie Tageszeitungen ihren Markenkern „Glaubwürdigkeit“ mit neuen Inhaltsformaten besser und nachhaltiger als bisher zu ihren Lesern transportieren können.

Referat Nico Adam, GF UnitB Consulting GmbH, bei seinem Referat anläßlich des Workshops "Digitaler Journalismus in postfaktischen Zeiten", 47. GI Jahrestagung INFORMATIK 2017, 29.9.2017, Chemnitz
Referat Nico Adam, UnitB Consulting, Berlin

 

Thomas H. Kaspar, Chefredakteur und Produktchef bei Ippen Digital, stellte in seinem Referat »Intelligent Content im Publishing 4.0« dar, welche umfangreichen Verwendungsmöglichkeiten ein semantisch tief strukturierter Content bietet. Dies beginnt mit der Verifikation der Content Komponenten nach dem „Mehr-Augen-Prinzip“ schon während der Inhaltserstellung. Ein reicher Satz an Metadaten zur Entstehung und Verwendung der Inhalte erlaubt eine automatisierte Profilbildung sowie einen Abgleich des angebotenen Contents mit einem aus Nutzungsverhalten und -historie ermittelten persönlichem Interessensprofil der jeweiligen Rezipienten.

Thomas Kapar, Chefredakteur und Produktchef Ippen Digital, bei seinem Referat anläßlich des Workshops "Digitaler Journalismus in postfaktischen Zeiten", 47. GI Jahrestagung INFORMATIK 2017, 29.9.2017, Chemnitz
Referat Thomas Kaspar, Ippen Digital

 

Die Personalisierung von Inhalten und deren automatische Erstellung aus unterschiedlichen Datenquellen ist auch der Kern des Beitrages des Datenjournalisten und Gründers der Lokaler UG, Lorenz Madzat: »Personalisierte Automatisierung im Lokaljournalismus«.  Einzelne Nachrichtenelemente werden aus algorithmisch regelmäßig ausgewerteten Datenquellen (etwa den Sensoren einer Smart City) generiert. Sie werden als Antwort auf eine individuelle Anfrage eines Nutzers von einem Chatbot zu einem individuell relevanten Nachrichtenportfolio zusammengefügt. In der Möglichkeit einer kleinteiligen Berichterstattung aus dem Lebensumfeld des Rezipienten bietet diese Personalisierung insbesondere für den Lokaljournalismus hohe Chancen einer umfassenden, glaubwürdigen Berichterstattung. Leider war Herr Madzat im Workshop kurzfristig persönlich verhindert, so dass sein Ansatz von Workshop Moderator Dr. Lutze kursorisch referiert wurde.

Der Kampf gegen „Fake News“

Aktuell werden drei grundlegend unterschiedliche Ansätze verfolgt, um mit dem Problem umzugehen:

  1. Die Erkennung von „Fake News“ stützt sich auf manuelle Recherche oder eine entsprechende Qualifikation der Rezipienten, um solche zweifelhaften Inhalte zu verifizieren. Facebook hat in Deutschland etwa „Correctiv“ beauftragt, um besonders relevanten „Fake News“ nachzugehen. [2]. Correctiv Gründer D. Schraven und Ex-Spiegel Redakteur C. Schnibben haben zudem eine „Reporter Schule“ für jedermann gegründet, um die Aufmerksamkeit interessierter Bürger zu schärfen [3]. Die EU hat mit ihrer „East Stratcom Task Force“ eine spezielle Einheit geschaffen, um gefährdende politische Falschmeldungen möglichst frühzeitig erkennen und darauf reagieren zu können [4]. Auch die ARD hat am 3.4.2017 eine entsprechende Organisationseinheit für die „Tagesschau“ ins Leben gerufen:
  2. Der algorithmische Ansatz des EU geförderten Projektes „Pheme“ stützt sich u.a. auf eine Verfolgung der Veröffentlichungsgeschichte und Quellenbewertung [5].  Damit soll die Glaubwürdigkeit von Nachrichten näher bestimmt werden. Dieses wird auch durch Facebook konzipiert, zumindest in einem entsprechenden, kürzlich veröffentlichten Patentantrag [6].
  3. Einen ganz anderen Weg nimmt der datengesteuerte Journalismus, der in abgegrenzten Bereichen Nachrichten automatisch produziert [7]. Dabei geht es natürlich nicht nur um eine möglichst objektive Berichterstattung (etwa bei Wetter- und Verkehrsberichten, Spielberichten im Sport und Börsenberichten). Der datengesteuerte Journalismus zielt vor allem auf eine besonders kosteneffiziente und schnelle Berichterstattung. Er verzichtet bewusst auf eine langsame, manuelle Aufbereitung und Interpretation des zu Grunde liegenden Datenmaterials.

Programmkomitee zum Workshop Digitaler Journalismus

Michael Geffken, Geschäftsführer und Direktor der Leipzig School of Media
Prof. Dr. Volker Gruhn, Lehrstuhl für Software Engineering, insb. mobile Anwendungen (SE), Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen
Jan Ippen, Gründer und Geschäftsführer, Ippen Digital, München
Prof. Markus Kaiser, Professur f. Praktischen Journalismus, Fakultät f. angewandte Mathematik, Physik u. Allgemeinwissenschaften der TH Nürnberg Georg Simon Ohm
Peter Kirchner, Geschäftsführender Gesellschafter, Kirchner & Robrecht Management Consultants, Berlin/München/Alzenau
Juliane Leopold, ehemalige Gründungschefredakteurin Buzzfeed Deutschland, Freie Journalistin und Beraterin u.a. Tagesschau.de
Dr. Rainer Lutze, Inhaber Dr.-Ing. Rainer Lutze Consulting, Langenzenn
Lorenz Matzat, Datenjournalist, Gründer und Geschäftsführer der Lokaler UG, Berlin
Lars Reckermann, Chefredakteur Nordwestzeitung, Oldenburg
Michael Strzodka, ehemals CvD und Mitglied der Chefredaktion Westfälische Rundschau Dortmund, freier Journalist und Medienberater

Referenzen

[1] Fokus Online Special zur „DLD 2017“ von 16.01.2017 – DLD 2017 / Fake News: Das sagen Deutschlands mächtigste Verlags-Chefs zur aktuellen Debatte

[2] Spiegel Online vom 15.01.2017 – Fake News / Deutsches Recherchebüro soll Falschmeldungen auf Facebook richtigstellen

[3] Meedia vom 15.01.2017 – „Reporterfabrik“: Cordt Schnibben verlässt den Spiegel und gründet mit David Schraven Journalistenschule

[4] DW vom 25.01.2017 – EU expands anti-fake-news taskforce

[5] FAZ vom 14.02.2017 – Fake News Forschung / Wie sich die Lüge vor die Wahrheit legt

[6] US Patentamt / Offenlegungsschrift Patentantrag vom 01.12.2016 – Systems and Methods to Identify Objectionable Content

[7] FAZ vom 17.04.2015 – Automatisierter Journalismus / Nehmen Roboter Journalisten den Job weg?

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Ein Bild unseres Blog Autors Rainer Lutze und Michael Strzodka

Rainer Lutze und Michael Strzodka

Rainer Lutze ist Gründer und Inhaber der Unternehmensberatung Dr.-Ing. Rainer Lutze Consulting, die Verlage im Bereich der digitalen Medien berät. Michael Strzodka ist selbständiger Journalist und Zeitungsredakteur mit 30-jähriger Berufserfahrung, zuletzt als CvD und Mitglied der Chefredaktion der „Westfälischen Rundschau“ in Dortmund. Rainer Lutze und Michael Strzodka berichten hier regelmäßig über relevante Tendenzen und Entwicklungen zur Zukunft des Journalismus.

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