Leere Hallen bestimmten die WAN-IFRA World Publishing Expo 2016 in Wien

Ein prägender Eindruck von der WAN-IFRA Expo 2016: Melancholie in Wien

Klein, fein, aber so nicht zukunftsfähig!

Impressionen von der WAN-IFRA World Publishing Expo 2016 in Wien

Wien, 10.10.2016. Wer die letzte IFRA Expo 2011 in Wien und die abendlich sehr langen Schlangen am Taxistand vor dem Haupteingang der Messe Wien noch in Erinnerung hatte, konnte sich beim Besuch der diesjährigen  WAN-IFRA World Publishing Expo 2016 eines beklemmenden Gefühls kaum erwehren. Der Zutritt zur diesjährigen  Expo vom 10.-12. Oktober erfolgte über den Nebeneingang der Messe. Es gab nur noch eine Messhalle („C“), bei der Catering und Kongress etwa ein Drittel der Fläche füllten. 2011 in Wien – und selbst im letzten Jahr in Hamburg – waren es noch zwei Hallen („A“, „B“) gewesen. Jeweils eine Halle für Software und eine für Hardware orientierte Ausstellungsstände. Letztere fehlten in diesem Jahr nahezu komplett. Die DruPa im Juni in Düsseldorf war wohl die attraktivere Messe. Mit Ferag und Alfamedia wurde die Liste der Unternehmen, die nicht mehr den Weg zur Expo angetreten haben, erneut um zwei prominente Namen länger. Die verbliebenen Aussteller in Wien waren allerdings über die Qualität der diesjährigen Messekontakte sehr zufrieden. Wer den weiten Weg in die österreichische Hauptstadt nicht scheute, hatte aus Sicht der Aussteller offensichtlich gewichtige und für sie interessante Themen im Gepäck.

Der Niedergang in Zahlen

Waren es bei der vorletzten Expo 2007 (nach Angaben der WAN-IFRA) in Wien noch 10.667 Besucher, bei der letzten Expo in Wien 2011 noch 8.055 Besucher, so haben in diesem Jahr wohl nur über 4.000 Besucher den Weg nach Wien beschritten. Die Anzahl der Aussteller in Wien ist von 367 in Jahr 2007, über 306 in 2011 auf diesjährig nur noch 115 Aussteller weiter zurück gegangen.

Der Rettungsversuch

Auch die WAN-IFRA spürt natürlich das heraufziehende Desaster, das sich Jahr für Jahr deutlicher ankündigt (vgl. unseren Bericht zur letztjährigen WAN-IFRA World Publishing Expo hier in diesem Blog.) Ab 2017 soll die Expo deshalb dauerhaft in Berlin durchgeführt werden. Sie wird mit einer „DCX Digital Content Expo“ kombiniert. Sie wird nicht mehr von der WAN-IFRA selbst, sondern in einem Joint-Venture mit dem Mannheimer / Schweizer Fachmesse Spezialisten børding (børding messe) durchgeführt. Der Begriff „Digital Content Expo“ weckt dabei natürlich Assoziationen an eine gleichnamige Veranstaltung in Japan.  Diese findet jährlich im nationalen Museum für Zukunftsforschung und Innovationen in Tokyo statt. Dort stehen Content Technologien, inhaltlich wie von den notwendigen Endgeräten her,  im Mittelpunkt; “ … showing the future image of the digital content industry in five to ten years from now …“. Wie aus analoger Drucktechnologie und Digitaltechnologien von Übermorgen ein leistungsfähiges Messeangebot für die (Zeitung)Medien von Heute und Morgen entstehen soll, bleibt der Vision der Konzeptentwickler der neuen Messe vorbehalten. Sie haben dazu noch ein knappes Jahr Zeit!

Ist »digitaler Content« die Lösung?

Wer glaubt, mit der Entwicklung relevanter digitaler Contentformate, für die auch eine entsprechende Zahlungsbereitschaft der Nutzer besteht, sei die Lösung für die Nachrichtenmedien von Morgen schon gefunden, übersieht deren Achillesferse. Nämlich das mobile Endgerät, Smartphone, von dem dieser digitale Content primär ausgespielt werden wird. Oder präziser die Internet Bandbreite und Kosten, die für die mobile Ausspielung notwendig sind. „Deutschland ist, zumindest was das Preis-Leistungs-Verhältnis im Mobilfunksektor angeht, ein Entwicklungsland“, bringt es Spiegel Online auf den Punkt. Mehr als den drittletzten Platz in Europa gibt es vor Rumänien und Zypern nicht zu verbuchen. Deutschland liegt hinter Frankreich, Großbritannien, Skandinavien und Osteuropa um eine Zehnerpotenz im zulässigen Übertragungsvolumen zurück. Leider ist eine Bandbreiten mäßig miserable und überteuerte mobile Datenversorung außerhalb der großen deutschen Städte auch heute eher die Regel denn die Ausnahme. Gerade den regionalen und lokalen Medien in Deutschland fehlt damit die Infrastruktur bzw. Plattform, um Digitalisierung überhaupt attraktiv umsetzen zu können. Und attraktiv heißt vorrangig vor allem: multimedial und videobasiert!

Mein Resümee

Portal der Hofburg, Wien
Portal der neuen Burg zum Heldenplatz, Hofburg, Wien

Beim Rückweg von der WAN-IFRA Expo 2016 durch den kühlen und beständigen Regen des herbstlichen Wiens fühlte ich mich – für einen Moment – literarisch um 100 Jahre zurück in den Herbst 1916 versetzt – wo in Joseph Roth’s Meisterwerk „Radetzkymarsch“ das Schicksal der Familie von Trotta auf das Engste mit dem Untergang der Habsburger Monarchie und dem Tod von Kaiser Franz Joseph I verwoben ist. Ist es überhaupt möglich, dass sich die World Publishing Expo von Wien lösen und und in Berlin in neuer Form wiederauferstehen kann? Oder muss sie nicht zusammen mit der dem Untergang  geweihten Welt der gedruckten Zeitung ebenfalls untergehen? Insofern war Wien 2016 der richtige Ort für eine Veranstaltung, die es in dieser Form nicht mehr geben wird. Oder um Joseph Roth zu zitieren: „Sein Sohn war tot. Sein Amt war beendet. Seine Welt war untergegangen.“

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Ein Bild unseres Blog Autors Rainer Lutze

Rainer Lutze

Rainer Lutze ist Gründer und Inhaber der Unternehmensberatung Dr.-Ing. Rainer Lutze Consulting. Das Unternehmen berät seit seiner Gründung im Jahr 2000 Unternehmen und Organisationen im Bereich der digitalen Medien und der digitalen Gesundheit und Pflege (eHealth). Aktuelle Schwerpunkte sind Smartwatches und ein intelligente Zuhause, das ein gesundes, sicheres und selbstbestimmtes Leben im vertrauten Zuhause bis ins hohe Alter und auch in Gegenwart alterstypischer Beschwerden und Einschränkungen ermöglicht.

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